Quellenangabe für dieses Dokument (einfach kopieren und einsetzen ;-)): Reips, U.-D. (1997). Forschen im Jahr 2007:
Integration von Web-Experimentieren, Online-Publizieren und Multimedia-Kommunikation. In D. Janetzko, B. Batinic, D. Schoder, M. Mattingley-Scott und G. Strube (Hg.): CAW-97. Beiträge zum Workshop "Cognition & Web". Freiburg: IIG-Berichte 1/97.

Forschen im Jahr 2007:
Integration von Web-Experimentieren, Online-Publizieren und Multimedia-Kommunikation


Ulf-Dietrich Reips
Abteilung für Allgemeine und Entwicklungspsychologie
Psychologisches Institut
Friedrichstr. 21
72072 Tübingen
E-Mail: ulf.reips@uni-tuebingen.de


Die Vision, die in diesem Beitrag entworfen wird, illustriert die folgende Kernthese: der Forschungsprozeß in den Kognitions- und Sozialwissenschaften wird in den nächsten Jahren durch das World Wide Web (WWW, Web) nicht nur um neue Inhalte und Zugänge bereichert, sondern die Natur dieses Prozesses selbst wird sich entscheidend verändern.

Das WWW und eine Vielzahl von mit ihm verbundenen technischen Neuerungen haben bereits heute in Einzelbereichen alternative Formen des Forschungsprozesses entstehen lassen, die aber noch unverbunden nebeneinanderher existieren. Wie sich diese Entwicklungen in den Bereichen Datensammlung, Publikation und Kommunikation zu einem integralen System verknüpfen könnten, wird in diesem Beitrag dargestellt.

 

Datensammlung

Im Bereich der Datensammlung erlauben nicht-reaktive Erhebungsverfahren, Online Fragebögen und Web-Experimente schnelle und kostengünstige Untersuchungen.

Nicht-reaktive Erhebungsverfahren im Internet nutzen die sowieso anfallenden Daten, die in bestimmten Diensten generiert werden, ohne daß die die Daten produzierenden Personen (vorher) davon wissen. So läßt sich etwa mit den Beiträgen in bestimmten newsgroupsForschung zur Verbreitung von Gerüchten betreiben (Bordia, 1996; Hewson, Laurent, & Vogel, 1996) oder die Interaktion von Personen in sogenannten MUDs (multi user domains) anhand der Serverdateien verfolgen (Schiano, 1996). Angesichts der riesigen Datenmengen, die in Internetdiensten produziert werden, lassen sich Untersuchungen mit nicht-reaktiven Datensammlungen unter Umständen innerhalb weniger Stunden durchführen - es kommt nur auf die Fragestellung und eine geeignete Datenanalysesoftware an.

Online-Fragebogen-Untersuchungen (Batinic & Bosnjak, 1997; Schmidt, 1996) sind die am einfachsten durchzuführende Form der interaktiven Datensammlung im WWW. Deshalb hat sie sich innerhalb kürzester Zeit stark verbreitet. Bereits heute ist die Zahl der Fragebögen im WWW schier unübersehbar; eine Sammlung von WWW-Verweisen findet sich auf der Gießener Fragebogenseite (Batinic, 1996) im WWW. Batinic und Bosnjak (1997) zählen sieben wesentliche Kennzeichen von Online-Fragebogen-Untersuchungen auf, die sie von klassischen Fragebogenverfahren unterscheiden. Zwei dieser Kennzeichen, Asynchronität und Alokalität, betreffen die neue Rolle von Zeit und Raum, die das Internet als globales Computernetzwerk bietet. Online-Fragebögen werden in der Regel zeitversetzt beantwortet, können aber auch bereits nach wenigen Sekunden aus weit entfernten Erdteilen ausgefüllt wieder beim Befrager eintreffen. Weitere Kennzeichen sind die leichtere Automatisierbarkeit und Dokumentierbarkeit und mithin wegen der Einschränkung von Versuchsleitereffekten eine größere Objektivität. Die beiden Merkmale, die die Integration von Online-Fragebogen Untersuchungen in den psychologischen Forschungsprozeß am meisten beschleunigen, sind wohl ihre Flexibilität und Ökonomie. Die Interaktivität des Mediums erlaubt beispielsweise je nach Nutzer, Tageszeit, Wochentag, Land, etc. automatische merkmalsspezifische Generierung und Zusammenstellung von Fragen. Die Ökonomie betrifft die Kostenersparnis bei der Erstellung, Versendung und Lagerung der Fragebögen und bei der Eingabe der Antwortdaten, aber auch die Zeitersparnis durch schnellere Arbeitsabläufe.

Web-Experimente (Reips, 1996, 1997a) sind im Grunde die logische Erweiterung von Laborexperimenten mit Schreibtischcomputern: eine Versuchsperson nimmt zur Teilnahme von ihrem Computer aus über die graphische Oberfläche ihrer WWW-Software (einem Web Browser) Kontakt auf zum Laborcomputer, auf dem ein sogenanntes Web-Server-Programm läuft. Das Experiment läuft praktisch genauso ab, als würde die Versuchsperson vor einem Computer im Labor sitzen - nur daß eben alles, was sonst auf dem Bildschirm des Laborcomputers gezeigt würde, stattdessen auf den Bildschirm der Versuchsperson irgendwo auf der Welt transferiert wird. Jeglicher Input der Versuchsperson, etwa Mausklicks und –bewegungen, Ton- und Videosignale, Texteingabe oder Dokumentabfragen, kann vom Web Server aufgezeichnet und auf vorbestimmte Weise beantwortet werden. Sogar Antwortzeiten können festgehalten werden, wie auch beispielsweise Name und Standort des Computers der Versuchsperson und Art des verwendeten Web-Browsers.

Web-Experimente bieten - in Abhebung von den Nachteilen der laborexperimentellen Methode - einige Vorteile: (1) leichte Erreichbarkeit eines zahlenmäßig und geographisch fast nicht begrenzten Versuchspersonenpools, in dem auch Versuchspersonen aus sehr spezifischen und bisher nicht zugänglichen Zielgruppen sind; (2) das Experiment kommt räumlich zur Versuchsperson anstatt umgekehrt; (3) die hohe statistische Power durch eine große Stichprobengröße erlaubt das Beibehalten eines konventionellen a-Niveaus; und (4) reduzierte Kosten, da weder Versuchsräume noch anwesende Experimentatoren gebraucht werden.

Die ersten Analysen und vergleichenden Studien zeigen, daß diese Methoden der Datensammlung 1. sehr valide sein können (Krantz, Ballard, & Scher, 1996), 2. Forschung in bisher unzugänglichen Bereichen erlauben (Bordia, 1996), und 3. insgesamt die wissenschaftstheoretischen und praktischen Vorteile die Nachteile mehr als ausgleichen (Reips, 1997a).

 

Publikation

Die wohl sichtbarste Veränderung der stürmischen Entwicklung zeichnet sich im Publikationsbereich ab. Das WWW bietet eine derartige Fülle an Darstellungsmöglichkeiten, daß die jahrhundertealte Dominanz papierbasierter Medien in den Wissenschaften vor der Ablösung steht. Mit dieser These soll nicht die Utopie vom "papierlosen Büro" perpetuiert werden. Aber der qualitative Reiz der Online-Publikationen wird ihnen wahrscheinlich einen hohen Marktanteil unter den Kommunikationsmedien sichern. Wesentliche Aspekte, die das WWW den Printmedien voraus hat, sind
- simultane Informationsübertragung auf mehreren Sinneskanälen;
- Integration von mehr als nur statischen Bildern: zum Beispiel Video, Panoramas (QTVR), Ton, 3D-Räume (VRML);
- Integration von Applikationen;
- Bewegtheit einzelner Elemente;
- Vernetzung durch Hyperlinks;
- ?Lebende Dokumente?, deren Struktur sich bei Aufruf entsprechend vorher festgelegter Faktoren erst bildet.

Es ist möglich, über WWW simultan visuell und auditiv Informationen zu vermitteln, erste Versuche mit der Übertragung haptischer Informationen sind erfolgversprechend (Massie & Salisbury, 1994). Eine besonders attraktive Eigenschaft von WWW-Publikationen ist die Einbindung von Bewegtmedien und interaktiven Medien. Ein guter Videofilm kann mehr Informationen über einen Versuchsablauf vermitteln als eine statische Graphik plus Text. Interaktive Medien, die beispielsweise als Panoramas, VRML-Welten oder Java-Applets in Web-Seiten eingebunden sind, eröffnen wahrscheinlich die attraktivsten Vorteile des Online Publizierens (siehe Reips, 1997b). Leser können hier in einer Art "Exkurs" durch dreidimensionale Welten wandern, die ihnen das Gelesene verdeutlichen. Beispielsweise könnte sich eine Leserin in eine "Wolke" aus den Daten einer Untersuchung hineinbegeben, die entsprechend dreier Faktoren im Raum angeordnet sind. Dann würde sie mit Hilfe eines virtuellen Schiebereglers einen vierten Faktor manipulieren und so die Veränderung der "Datenwolke" in Abhängigkeit von diesem Faktor in einer durch kein Printmedium erzeugbaren Weise erfahren. Ein Mausklick auf einen virtuellen Knopf könnte die in einer Faktorenanalyse gewonnen Achsen in die Wolke hineinprojizieren und über einen weiteren Regler eine Rotation erlauben. Visualisierungs- und Eingriffsmöglichkeiten dieser Art werden im Jahr 2007 vielleicht Standardeigenschaften von Publikationen sein, die kein Leser mehr missen möchte.

Gibt es Nachteile von Online-Publikationen? Medienexterne Faktoren wie eine restriktive Anti-Online-Politik mancher Zeitschriftenverleger und Berufsverbände, die Gewöhnung an bestimmte (Print-) Publikationsstandards und die (teils nur subjektiv angenommene) Abhängigkeit der eigenen Karriere von Publikationen in bestimmten gedruckt erscheinenden Zeitschriften spielen natürlich eine Rolle. Aber auch medieninhärente Faktoren könnten sich hemmend auf einen Boom der wissenschaftlichen Online-Publikationen auswirken. So bedarf es stets eines elektronischen Geräts, um Online-Publikationen zu betrachten und eines Speichermediums, auf dem sie abgelegt sind. Sowohl die Geräte als auch die Speichermedien befinden sich aber in einem permanenten Entwicklungs- und Überalterungsprozeß, der in wesentlich kürzeren Abständen eine - vielleicht kosten- und arbeitsintensive - Übertragung der Publikation auf neue Datenträger erfordert als bei papierbasierten Medien. Da es sehr einfach ist, Online-Publikationen zu verändern, muß mit möglicherweise aufwendigen Kontrollverfahren sichergestellt werden, daß die durch einen Reviewprozeß gegangenen Veröffentlichungen nicht mehr verändert werden und dauerhaft verfügbar sind. Bei Online Publikationen im Selbstverlag und deren Zitierung ist es aus der Art des Mediums heraus notwendig, die Publikation stets mit einer Versions- und Datumsangabe zu versehen, was zu einer unschönen Versionsinflation führt (Ott, Krüger & Funke, 1997).

Oft sind WWW-Dokumente so erstellt, als sollten sie in einem Printmedium erscheinen (vgl. Reips, 1997b). Dies ist einerseits gerechtfertigt, da es den Lesegewohnheiten neuer Internet Benutzer - anscheinend - entgegenkommt und beim Ausdrucken ein gewohntes Druckbild produziert. Die Ergonomie von Web-Browsern läßt andererseits gegenüber dem Lesen im realen Leben einige Wünsche offen, was mit ein Grund für die rasante Weiterentwicklung der Browsertechnologie ist (Chen, Wang, & Proctor, 1996).

Derzeit fehlen WWW-Dokumenten und Web-Browsern Eigenschaften, die in überzeugender Weise etwa die haptische Vermittlung der Dicke eines Papierstapels ersetzen. Möglicherweise widerspricht das WWW als lose organisiertes und verteiltes Dateiensystem aber auch grundsätzlich dem Bedürfnis der menschlichen Informationsverarbeitung, begrenzte kognitive Landkarten erstellen zu können. Dieses "cognitive mapping" erfordert beispielsweise die erkennbare Abgeschlossenheit von Informationseinheiten und die Möglichkeit, sehr einfach den Standpunkt des momentanen Aufmerksamkeitsfokus innerhalb der Informationseinheit lokalisieren zu können. Beim Erstellen von Web-Publikationen kann nur empfohlen werden, im Rahmen des derzeit Möglichen alles zu tun, um den Lesern von Online-Dokumenten eine ins Auge fallende Standortbestimmung zu erleichtern. Eine Idee hierzu sind beispielsweise "Papierstapel-Icons" in einem permanent sichtbaren Frame des Browser-Fensters, die sich je nach Position im aktuellen Dokument in ihrer Größe veränden. Generell empfehlen sich Inhaltsverzeichnisse im Listenformat, die jeweils auf ein ungefähr gleich großes Stück Dokument (idealerweise ungefähr Din A4 - Größe) verweisen (für weitere Layout-Hilfen siehe Reips, 1997b).

Die Bereicherung der Publikationslandschaft durch Online-Dokumente wird allerdings zumindest in den Wissenschaften durch die restriktive Internetpolitik mancher Verlage und Berufsverbände gefährdet. So hat kürzlich das sehr einflußreiche Publikationskomitee der American Psychological Association (APA) entschieden, daß nichts mehr in Zeitschriften der APA veröffentlicht wird, das vorher auf einer Web-Site oder Ftp-Site erschienen ist, da dies als Veröffentlichung gewertet wird ("Publishing papers", 1996). Nur wenn sich genügend wissenschaftliche Online-Zeitschriften durchsetzen, dann ist ein Umschwenken einer Mehrheit der Herausgeber der papierbasierten Medien auf einen Internet-freundlichen Kurs zu erwarten.
Online-Publikationen sind schneller verlegbar, schneller korrigierbar, kostengünstiger und schneller zugänglich und haben daher einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Printmedien. Ein Teil dieser Vorteile könnte allerdings durch steigende Ansprüche der Leserschaft verschwinden, weil etwa die Einbindung einer interaktiven Applikation an einer Stelle erwartet wird, wo bisher eine simple Schwarzweiß-Graphik genügte.

 

Kommunikation

Die Kommunikationsmöglichkeiten im WWW umfassen eine Reihe der Funktionen von herkömmlichen Medien wie Telefon, Brief und Fax oder auch Verteilerlisten, Bildtelefon und Konferenzschaltung. Das Web erlaubt zusätzlich neue Kommunikationsmodi, unter denen etwa die gleichzeitige Bearbeitung eines Online-Dokuments hervorzuheben ist. Eine besondere Stärke des WWW ist seine Eigenschaft, verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten zu integrieren. Bei der gleichzeitigen Bearbeitung eines Online-Dokuments kann sowohl über das Markieren in dem Dokument, über Gestik und Mimik durch angeschlossene Kameras und akustisch über Mikrophon und Lautsprecher kommuniziert werden.
Bereits jetzt kann man Rechner über das Internet fernsteuern. So erlaubt etwa die Software Timbuktu Pro der kalifornischen Firma Farallon, daß der Bildschirminhalt eines Rechners auf einen anderen Rechner im Internet übertragen wird. Eine Benutzerin dieses zweiten Rechners sieht das Benutzerinterface des ersten Rechners und kann es so benutzen, als würde sie direkt vor dem entfernten Rechner sitzen. Diese Software läuft plattformunabhängig auf mehreren Betriebssystem. Die Zusammenarbeit an weit entfernten Standorten kann dadurch eine ähnlich gute Qualität erreichen wie das gemeinsame Arbeiten an einem Rechner in einem Raum.

Das WWW erlaubt es, ad hoc und flexibel kleine dezentrale Einrichtungen und Individuen je nach Anforderung zu größeren Einheiten zusammenzuschließen und wieder aufzulösen. Forschung könnte in der Zukunft deshalb viel weniger an -reale- Institutionen gebunden sein, sich höchstens um virtuelle Institutionen gruppieren. Ein Beispiel für eine sich entwickelnde Online-Institution ist das psychologische Experimentallabor im WWW (Reips, 1995).

Bisher ist hauptsächlich die Fortentwicklung und Pflege bestehender Forschungskontakte im Rahmen der Online-Kommunikation geschildert worden. Die Durchsuchbarkeit weltweit vernetzter Datenbestände mit Hilfe von Suchmaschinen und die schnelle Erreichbarkeit ihrer Autoren und Verwalter mit Hilfe von E-Mail führen aber auch zu einer Zunahme der Initialisierung solcher Kontakte über das Netz. Sie werden schon deshalb in größerer Zahl über das Medium Internet entstehen als das heute der Fall ist, weil sich generell ein größerer Anteil wissenschaftlicher Kommunikation im Internet abspielen wird und weil der Umgang von wissenschaftlich Tätigen mit dem Internet geübter sein dürfte.

 

Integration

Die Integration der Entwicklungen in den für den Forschungsprozeß entscheidenden Bereichen Datensammlung, Publikation und Kommunikation könnte zu folgendem typischen Forschungsprojekt führen: drei Forschende aus drei verschiedenen Erdteilen, die sich nie persönlich IRL (im realen Leben) gesehen haben, begeben sich in eine Online-Diskussion, nachdem eine von ihnen die beiden anderen per E-Mail angeschrieben hat. Aus den Webseiten der beiden, auf die die Forscherin in einer kurzen Suche mit Hilfe von Schlüsselwörtern aus ihrer aktuellen Forschung gestoßen ist, ging nämlich die Ähnlichkeit der aktuellen Forschungsinteressen aller drei Wissenschaftler hervor. Die drei entwickeln in Online- Diskussionen gemeinsam ein experimentelles Design zur Untersuchung der entwickelten Fragestellung. Einzelne Komponenten des Experimentalmaterials werden getrennt entwickelt, aber gemeinsam online korrigiert und ineinandergefügt. Schließlich wird das Web-Experiment der WWW-Öffentlichkeit zugänglich gemacht und annonciert.

Sobald das Web-Experiment die über die gewünschte Effektstärke und das gewählte Signifikanzniveau bestimmte Versuchspersonenzahl erreicht hat, wird es automatisch mit einem Vorspann versehen, der es als jetzt dokumentarisch kennzeichnet. Gleichzeitig gehen E Mails mit Debriefing und Kontrollfragen an alle Teilnehmer ab. Die aus dem Web-Experiment gewonnenen Daten werden automatisch ins gewünschte Format transformiert und einer vorher festgelegten statistischen Analyse unterzogen.

Die drei Forschenden treffen sich wiederum im Netz, um die Ergebnisse zu diskutieren und nach der Durchführung weiterer Web-Experimente ihre Publikation zu planen. Die Erstellung der Publikation erfordert nicht nur das Schreiben und das Erstellen zweidimensionaler Graphiken, sondern auch das Anfertigen anderer in ein "Dokument" einbindbarer Darstellungsmittel. Für die Anfertigung solcher "Infomedien" gibt es einen eigenen Markt, der im Jahr 2007 um ein Vielfaches größer ist als heute. So lassen die drei ihr theoretisches Modell in Auftragsarbeit in Form einer virtuell durchwanderbaren VRML-Landschaft anfertigen. Die "Material"- und "Prozedur"-Teile der Publikation enthalten Hyperlinks zum online weiterhin vorhandenen Web-Experiment. Der Datensatz ist ebenfalls über ein Hyperlink abrufbar.

Nach einem im Internet stattfindenden Peer-Review-Prozeß wird die Publikation von einer Online-Zeitschrift offiziell publiziert. "Publikation in einer Zeitschrift" bedeutet nichts anderes als das zugelassene Ablegen sämtlicher zur Publikation gehörenden Teile auf dem Web-Server der Online-Zeitschrift. Nicht mehr bei allen Online-Zeitschriften ist das "Erscheinen" an "Ausgaben" gebunden - das Akzeptieren eines Artikels bedeutet seine sofortige Veröffentlichung. Online-Artikel sind vernetzt, das heißt, alle Literaturverweise zu anderen Online-Artikeln bestehen aus Hyperlinks, mit denen sich diese Artikel aufrufen lassen. Zitate sind ebenfalls mit Hyperlinks unterlegt, die bei einem Mausklick über besondere Volltextsuchmaschinen direkt die zitierte Stelle im Originaldokument anspringen.

Die Leser der Publikation werden angemessener als "Wahrnehmer" zu bezeichnen sein. Denn erstens wird ihnen der Artikel dank Multimedia in einer Weise präsentiert, die viele ihrer Sinne simultan anspricht und zweitens können sie in die Rolle einer Versuchsperson schlüpfen und die geschilderten Experimente selbst durchlaufen. Sie können dies entweder über das "Nachspielen" typischer Datensätze von Versuchspersonen aus verschiedenen Versuchsbedingungen oder selbstgesteuert tun. Auf diese Weise wird Forschung einen höheren Grad an Transparenz erreichen. Bessere Nachvollziehbarkeit wird Replikationen erleichtern.

Anderen Forschenden bietet sich dann die Möglichkeit, unmittelbar Rückmeldung zu geben. In einer Art "Online-Werkstatt" können sie Kopien der Originalmaterialien eines Experiments (und auch Darstellungen theoretischer Modelle) umgestalten und damit ihre Anmerkungen unterstreichen. Solche Materialien können außerdem sofort in weitere Web-Experimente umgebaut werden.

Insgesamt wird sich ein deutlich beschleunigter Forschungsprozeß ergeben.

 

Referenzen

Batinic, B. (1996). Die Gießener Fragebogenseite [On-line]. Available: http://www.psychol.uni-giessen.de/~Batinic/survey/frageb1.htm

Batinic, B. & Bosnjak, M. (1997). Fragebogenuntersuchungen im Internet. In B. Batinic (Hrsg.): Internet für Psychologen. Hogrefe.

Bordia, P. (1996). Studying verbal interaction on the Internet: The case of rumor transmission research. Behavioral Research Methods, Instruments, & Computers, 28, 149-151.

Chen, B., Wang, H., & Proctor, R. W. (1996). A human-centered approach for improving world wide web browsers. Paper presented at the 1996 Society for Computers in Psychology Conference. Chicago, IL.

Hewson, C. M., Laurent, D., & Vogel, C. M. (1996). Proper methodologies for psychological and sociological studies conducted via the Internet. Behavioral Research Methods, Instruments, & Computers, 28, 186-191.

Krantz, J. H., Ballard, J., & Scher, J. (1996). Comparing the results of laboratory and world-wide web samples on the determinants of female attractiveness. Paper presented at the 1996 Society for Computers in Psychology Conference. Chicago, IL.

Massie, T. H. & Salisbury, J. K. (1994). The PHANToM haptic interface: a device for probing virtual objects [On-line]. Available: http://www.sensable.com/asme.htm

Ott, R., Krüger, T., & Funke, J. (1997). Wissenschaftliches Publizieren im Internet. In B. Batinic (Hrsg.): Internet für Psychologen. Hogrefe.

Publishing papers on the internet could pose problems. (1996, December). APA Monitor, p. 15.

Reips, U.-D. (1995). Das Web-Labor für Experimentelle Psychologie [On-line]. Available: http://www.uni-tuebingen.de/uni/sii/Ulf/Lab/WebExpPsyLabD.html

Reips, U.-D. (1996). Experimenting in the World Wide Web. Paper presented at the 1996 Society for Computers in Psychology Conference. Chicago, IL.

Reips, U.-D. (1997a). Das psychologische Experimentieren im Internet. In B. Batinic (Hrsg.): Internet für Psychologen. Hogrefe.

Reips, U.-D. (1997b). Tips zum Erstellen von WWW-Dokumenten. In B. Batinic (Hrsg.): Internet für Psychologen. Hogrefe.

Schiano, D. J. (1996). Convergent methodologies in Cyber-Psychology: A case study. Paper presented at the 1996 Society for Computers in Psychology Conference. Chicago, IL.

Schmidt, W. C. (1996). World-Wide Web survey research: Benefits, potential problems, and solutions. Paper presented at the 1996 Society for Computers in Psychology Conference. Chicago, IL.

Timbuktu Pro (Version 3.0) [Computer software]. (1996). Alameda, CA: Farallon Communications.